Die Performance "Bitch Pose" untersucht das westliche Schönheitsideal und den Einfluss des männlichen Blicks auf den weiblichen Körper. Die Künstlerin Naira Ramos wird in der Performance nackt auf der Bühne ausgestellt. Sie folgt mit ihrem Körper den strengen Anweisungen männlich konnotierter Stimmen, welche sie in sexualisierte, objektifizierte Posen anleitet. Es sind Posen aus weltbekannten Gemälden wie beispielsweise „Das Frühstück im Grünen“ von Édouard Manet (1963) in der eine nackte Frau zwischen zwei angekleideten Männern posiert oder Posen von Famme Fatale-Gemälden in denen die Frau sexuell verführerisch und gleichzeitig für Männer todesbedrohlich dargestellt werden, sowie berühmte Jahrhunderte alte Venus-Aktbilder wie z.B. die „Schlummernde Venus“ von Giorgione und Tizian (1510) in welcher die Frau mit der Hand den Intimbereich (also ihre Sexualität) verstecken muss. In vielen künstlerischen Werken wurde der weibliche Körper als ästhetisches, sexualisiertes, passives Objekt abgebildet, das für den männlichen Blick geschaffen wurde und den ästhetischen Genuss des männlichen Betrachters erfüllt. Dieser sexualisierte Darstellungstyp der Frau, der seit Jahrhunderten existiert, bleibt bis heute in der Medienlandschaft präsent. Später in der Performance wird Naira Ramos
mit ihrem Körper in Werbungsposen gezwungen, wie zum Beispiel die Burger King Werbung von 2012. In dieser posiert eine fast nackte Frau neben einem Burger sexy und verführerisch. Unteranderem
reproduziert Naira Ramos auch das Werbebild des Brennholzservice Erdmann, in dem einen nackten Oberkörper der Frau mit Holz vor den Brüsten zu sehen ist. Dieses Werbungsbild ist immer noch aktuell
im Jahr 2024 auf der Erdmanns website: www.erdmann brennholzservice.de zu sehen. Erschütternd ist der Moment, in welchem die Performancekünstlerin ihre eigene Kinder- und Jugendposen von persönlichen Fotos imitiert, welche den orangegangen Pose-Bilder aus Gemälden und Werbungen erschreckend ähneln und absolut den männlichen Blick bedienen. Die Performance ist eine radikale Dokumentation davon, wie verfestigt der männliche Blick seit Jahrhunderten in der westlichen Kunst-, Medienwelt und Gesellschaft ist und wie er auch Naira Ramos, die weiblich gelesen wird, dazu sozialisiert hat, den Erwartungen des männlichen Blicks zu entsprechen. Mit ihren Posen bedient Naira Ramos das traditionelle Bild des weiblichen Körpers als ästhetisches Objekt für den männlichen Blick. Naira Ramos spielt bewusst damit, dass auch das Publikum sie erstmals objektifiziert. Gleichzeitig schafft sie es in ihrer Performance die Posen, scharf zu hinterfragen, zu entlarven und zu dekonstruieren. Dafür inszeniert sie ihren Körper zwischen den Posen fragmentarisch entsexualisiert und entobjektifiziert, bis sie ihn aktiv handelnd, subjektiv lustvoll und mächtig einsetzt. Die Objektifizierung von weiblich gelesenen Körpern verläuft ausserhalb der Performance in unserer Gesellschaft meist unterbewusst ab. Mit dieser Performance fühlt sich das Publikum bzw. meist männlich sozialisierte Menschen ertappt und den Zuschauern wird die unterbewusste Projektion der Objektifizierung auf den weiblichen Körper BEWUSST. Währenddessen erfolgt ein Übergang des
Publikums von der Betrachtung des Körpers als Objekt zur Anerkennung des Körpers als Subjekt. Mit "Bitch Pose" zielt Naira Ramos darauf ab, das Schönheitsideal und den männlichen Blick zu
hinterfragen und die Selbstbestimmung über den eigenen Körper zurückzugewinnen - auf der Bühne, aber auch auf der Strasse im Alltag. Ihre Performance stellt eine radikale Antwort auf den gesellschaftlichen Druck des männlichen Blickes dar, dem weiblich gelesene Menschen ausgesetzt sind, und fordert dazu auf, traditionelle Vorstellungen von Weiblichkeit und Schönheit neu zu definieren.